Vor zwei Wochen fand die Haymat Ost Konferenz in den schönen Räumlichkeiten des Theaters der jungen Welt in Leipzig statt. Unser Projekt JUGENDSTIL* kuratierte dort das Foyer und lud die Besuchenden zum Austausch bei Kaffee und Baklava ein. Projektmitarbeiterin Quyên Vo blickt mit uns auf ein spannendes Wochenende zurück.
Haymat statt Heimat – unter diesem Begriff findet seit einigen Jahren die Haymat Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung statt und mahnt an, das Konzept von Heimat in Frage zu stellen. Heimat beschreibt im gängigen Gebrauch in Deutschland zumeist eine romantisierte Beziehung zwischen Mensch und Raum, die von Verbundenheit und Vertrautheit erzählt und dem ein Hauchvon „an einem Ort niederlassen und sich geborgen fühlen“ innewohnt. Was bedeutet Heimat in einer Gesellschaft der Vielfalt, in der die Geschichte von Migration, Flucht und Kämpfen um Teilhabe jedoch zu oft unsichtbar bleibt?
Unter dem Begriff Haymat soll Raum für Geschichten von Menschen eingeräumt werden, die ebenfalls Teil der deutschen Gesellschaft sind, aber zu selten Aufmerksamkeit bekommen. Auf der diesjährigen Haymat Ost Konferenz am 14. und 15. Oktober in Leipzig lag der Fokus auf der Migration und den migrantischen Kämpfen des Ostens – also in den neuen Bundesländern.
Auch wenn Migration fester Bestandteil der ostdeutschen Gesellschaft war und ist und diese entschieden mitprägte, stellen die Perspektiven und Lebensrealitäten der Menschen mit Migrationsgeschichte nach wie vor eine Leerstelle in Politik und im (historischen) Selbstverständnis der ostdeutschen und gesamtdeutschen Gesellschaft dar, hieß es in der Einladung zur Konferenz.
Das Projekt JUGENDSTIL* durfte als Kooperationspartner Teil dieser Konferenz sein, in der die Kontinuität von migrantischen, bzw. postmigrantischen Kämpfen sichtbar gemacht und die Möglichkeit geboten wurde, sich zu vernetzen, auszutauschen und voneinander zu lernen. Als ein Projekt, das (post-)migrantisches Engagement in Ostdeutschland fördert und junge Menschen in ihrem Kampf um Teilhabe in der Gesellschaft unterstützt, war es eine besondere Freude für uns,die Konferenz aktiv mitzugestalten.
Das Programm begann am Freitag mit einer Begrüßung. Der große Saal war gefüllt mit Menschen, von denen einige über das Wochenende zu neuen Verbündeten werden sollten. Bei über 140 Teilnehmenden wurde deutlich, wie groß das Interesse an der Thematik ist. Danach fand unter dem Thema „Der Osten bleibt Migrantisch!“ eine szenische Lesung statt, bei der Gäst*innen eine Bühne bekamen, um von ihren Erfahrungen zu erzählen. Diese Auftritte zeigten, wie vielfältig doch der Begriff der „Migrationsgeschichte“ ist. Beendet wurde der Tag mit einem gemeinsamen Abendessen in der „Casa – Die ganze Bäckerei“, dem ersten BiPoC-Wohnprojekt in Leipzig.
Mit der Lesung „Haymat – Wo die Gesellschaft der Vielen zu Hause ist“ wurde der nächste Tag der Konferenz eingeläutet. Ab 11 Uhr gab es zwei Workshop-Blöcke mit einer großen Auswahl toller Referent*innen. Als Beispiel gaben Kurator*innen der Ausstellung „offener Prozess“, die als Satelliten-Ausstellung auf der Konferenz zu sehen war, einen Einblick in die erinnerungspolitische Aufarbeitung des NSU-Prozesses in Sachsen.
JUGENDSTIL* kuratierte das Foyer in der Etage 1 im Theater der jungen Welt. Dort gab vielfältige Gelegenheiten, Initiativen, Projekte und Vereine aus Ostdeutschland und ihre Arbeiten kennenzulernen.
Teilnehmende bekamen dort die Wanderausstellung des Verbands binationaler Familien e.V. zu sehen, die Arbeiten aus ihrem neuen Buch P wie Protest zu zeigen – ein Widertands-Wörterbuch in Bildern. Auch waren migrantische Landesverbände vor Ort, wie MigraNetz Thüringen und der Dachverband sächsischer Migrant*innenorganisationen, den Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland – DaMOst, die wichtige Arbeit in der Interessenvertretung von Menschen mit Migrationsgeschichte auf politischer Ebene übernehmen.
Besonders haben wir uns gefreut, dass durch JUGENDSTIL* geförderte Initiativen und Projekte ihre Arbeit vor Ort präsentierten. Das LIAA – Kollektiv – eine Initiative, die in Leipzig eine Bibliothek für BiPoC, (post)migrantische und Diaspora Literatur aufbaut – stellte die frisch bestellten Bücher zum Stöbern auf.
Auch das Narratif-Magazin gab einen Preview für die erste Ausgabe „Dazwischen // In Between“, in denen Texte, Bilder und kreative Ergebnisse von Menschen, die sich als (post-)migrantisch, jüdisch und/oder Schwarz identifizieren. Auch die Kunst junger Muslim*innen war mit dabei, ein Peer-to-Peer Netzwerk von jungen, muslimischen Kreativen, die Räume für die Kunst, junger Muslim*innen beanspruchen und schaffen.
Insgesamt bot die Konferenz lehrreiche Workshops, schöne Möglichkeiten zum Austauschen, Kontakteknüpfen und Vernetzen. Beim Abschluss-Panel wurden nochmal spannende politische Ausblicke gegeben. Auch an diesem Abend gab es noch die Möglichkeit für ein gemeinsames Abendessen und die Möglichkeit, die zum Teil hitzigen Diskussionen und die vielen neuen Eindrücke bei einem Glas Wein gemeinsam ausklingen zu lassen und die neuen Bündnisse zu feiern.
Text: Quyên Vo
Fotos: Clarita Maria | Haymat Ost Konferenz 2022