Wie steht es um das freiwillige Engagement in Sachsen-Anhalt? Ein digitales Fachgespräch mit Expert:innen aus Praxis, Politik und Wissenschaft ging am 6. Dezember dieser Frage nach.
Gundel Berger von der Stabsstelle Demokratie- und Engagegementförderung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung begrüßte die Teilnehmenden und führte kurz in das Thema ein. Sie sprach über das Engagementpotenzial in Sachsen-Anhalt und kündigte an, dass noch mehr Menschen im Land in den nächsten Jahren durch den Abbau von Hürden Zugang zum Engagement finden sollen. Dazu sollen zum Beispiel Initiativen verstärkt unterstützt werden. Gleichzeitig ist beabsichtigt digitales Engagement zu stärken. Darüber hinaus soll die Anerkennungskultur und die Würdigung des ehrenamtlichen Engagements ausgebaut werden. Sie warb für einen optimistischen Blick in die Zukunft: Insgesamt engagieren sich inzwischen mehr und mehr Menschen in Sachsen-Anhalt freiwillig, wie die Daten des Freiwilligensurvey 2019 zeigen. Auch die unterschiedlichen Engagementquoten in Ost und West gleichen sich langsam an.
Tobias Jaeck und Prof. Everhard Holtmann vom Zentrum für Sozialforschung Halle e.V. (ZSH) stellten den Länderbericht Sachsen-Anhalt zum Freiwilligensurvey 2019 vor. Die Engagementquote im Land liegt zwar im Bundesvergleich im unteren Drittel, ist aber in den letzten Jahren angestiegen und erreichte im Jahr 2019 knapp 38 Prozent. Auch die Engagementbereitschaft hat zugenommen.
Als nächstes folgte ein vertiefender Blick in die Ergebnisse des Freiwilligensurveys: Die Engagierten wurden unter anderem nach Verbesserungsbedarfen befragt. Diese sahen sie unter anderem in der Bereitstellung von Räumen und Ausstattung, der Anerkennung ihres Engagements durch Hauptamtliche und eine verstärkte fachliche Unterstützung. Von Seiten des Staates wünschten sie sich mehr Anerkennung, eine bessere Vereinbarung mit ihrem Beruf und mehr konkrete Information und Beratung zum Engagement.
Dem Freiwilligensurvey zufolge gibt es noch immer einen deutlichen Zusammenhang von Bildung und ehrenamtlichem Engagement, der in Sachsen-Anhalt leicht über dem bundesweiten Durchschnitt liegt. Auch das Einkommen beeinflusst das Engagement. In Sachsen-Anhalt sind außerdem mehr Menschen auf dem Land als in der Stadt engagiert.
Prof. Dr. Everhard Holtmann fasste einige landesspezifische Empfehlungen zusammen, die aus den Erkenntnissen des Länderberichts gewonnen werden können. Er wies darauf hin, dass zukünftige Aktivitäten vor allem niedrigschwellig, integrativ, sozialraumbezogen und partizipativ gestaltet werden müssen. Die lokalen Gegebenheiten, zum Beispiel die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Region, müssen bei der Schaffung neuer Engagementangebote genauer beachtet werden. Konkret erwähnte der die Gemeindetypologie des Landes Sachsen-Anhalts, die im Rahmen des Projekts Demokratietransfer entstanden ist. Ausgehend von den daraus entwickelten Gemeindetypen können passende Engagementangebote entwickelt werden, die die jeweiligen lokalen Bedingungen berücksichtigen. Hilfreich kann auch die Landkarte sozialer Innovationen sein, in der Leuchtturmprojekte und Initiativen, die von freiwilligem Engagement getragen werden, vorgestellt werden. Diese können als Grundlage für ein Engagementnetzwerk in Sachsen-Anhalt dienen und als Transfer für andere Gemeinden genutzt werden. Auch der Ausbau digitaler Beteiligungsformate sei wichtig für das zukünftige Engagement.
Birgit Bursee, ehrenamtliche Vorständin der LAGFA Sachsen-Anhalt e.V., wies darauf hin, dass bei der Interpretation der Ergebnisse des Freiwilligensurvey darauf geachtet werden muss, welches Verständnis von bürgerschaftlichem Engagement in der Studie zugrunde gelegte wird. Je nachdem, wie die Befragten den Begriff verstehen, können die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen. Zudem unterstrich sie, dass die Anerkennung von Engagierten mehr ist als Danke zu sagen und über „Blumensträuße“ hinausgehen müsse. Engagierte sollten in als Gesellschaftsgestaltende wahrgenommen und an für sie wichtigen Entscheidungen direkt beteiligt werden. Außerdem sollten die Kenntnisse der Engagierten und der lokalen Bedingungen Eingang in die jeweiligen Förderinstrumente finden, um den Bedarfen vor Ort gerecht zu werden.
Steffi Trittel, Bürgermeisterin der Einheitsgemeinde Hohe Börde, fasste zusammen, dass stabile engagementfördernde Strukturen in den Gemeinden sehr wichtig seien. Vertrauen, mehrjährige Strukturen, die Unterstützung des Ehrenamts durch das Hauptamt und ständige Ansprechpartner:innen seien unabdingbar für ein stabiles Engagement.
Die Veranstaltung war eine Kooperation der Stiftung Bürger für Bürger mit dem Land Sachsen-Anhalt und der LAGFA Sachsen-Anhalt e.V.
Einen Mitschnitt der Veranstaltung können Sie hier ansehen: https://youtu.be/SnZYNFJ3gRs
Text: Sabine Baumgärtel