Beim Fachgespräch zum Demokratiefördergesetz (DFG) diskutierten ca. 35 Expert*innen aus Politik und Zivilgesellschaft über Erwartungen an das geplante Gesetz. Die Veranstaltung haben wir zusammen mit drei Stiftungen aus der Allianz für Zusammenhalt in den Räumen der Stiftung Neue Verantwortung in Berlin organisiert.
Einen geballten Tag Demokratiefördergesetz – den hatten viele Teilnehmenden des Fachgesprächs, das gleich nach der Sitzung des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“ das Thema am Abend des 22. Juni noch einmal aufgriff.
Staatssekretärin Juliane Seifert aus dem Bundesinnenministerium des Inneren und für Heimat (BMI) stellte in ihrem Auftaktimpuls die Zielsetzung der Bundesregierung dazu vor: „Bei der Demokratie geht es darum, unsere Gesellschaft aktiv mitzugestalten“, erläuterte sie. Dafür den Rahmen und eine gesetzliche Grundlage für den Bund zu schaffen, sei das Ziel des Demokratiefördergesetzes. Zudem solle für die Organisationen im Bereich Demokratieförderung Verlässlichkeit und längerfristige Fördermöglichkeiten geschaffen werden. Dass sich der Bund dafür verantwortlich fühle, sei dabei nicht trivial, da die Zuständigkeit für das Thema grundsätzlich bei den Ländern liege.
Gleichzeitig machte Seifert klar, dass nicht alle Wünsche der Zivilgesellschaft werden erfüllt werden können, wie sie in den über 170 Stellungnahmen Ausdruck gebracht werden. Beispielsweise werden keine konkreten Organisationen im Gesetz genannt werden. Eine institutionelle Förderung sei aufgrund der Bundeshaushaltsordnung nicht möglich und verhindere zudem eine breite und flexible Förderung. Das Gesetz soll bis Ende des Jahres vom Kabinett und anschließend vom Bundestag verabschiedet werden.
Prof. Dr. Roland Roth fasste in seinem Vortrag die Essenz aus mehr als 20 Stellungnahmen zivilgesellschaftlicher Akteure zum geplanten Gesetz zusammen. Eine wichtige Forderung der NGOs sei die Strukturförderung. Dabei wünschten sich die Vertreter der Zivilgesellschaft mehr Trägerautonomie und Beteiligung auf Augenhöhe. Wichtig sei zudem eine partizipative und transparentere Programmstruktur. Neue Formate, z.B. durch eine Altersöffnung, könnten noch ungenutzte Potenziale der Zivilgesellschaft aktivieren.
In der Analyse habe sich gezeigt, dass es kaum grundsätzliche Zweifel am Ansatz des Gesetzes gebe. Ein vielfach geäußerter Wunsch sei eine praxisnahe wissenschaftliche Begleitung. Sinnvoll sei ein Demokratie-Monitoring, das Demokratieentwicklung mit Blick auf Chancen und Handlungsbedarfe untersuche oder ein Sachverständigenrat, der den Prozess begleite. Eine Leerstelle sei bisher die Verankerung der Themen Engagementförderung und Bürgerbeteiligung im Gesetz. „Da könnte der Bund noch in ganz anderer Weise aktiv werden“, so Roth.
Hier finden Sie die Analyse von Prof. Dr. Roland Roth zum Download.
Anschließend brachten zwei Parlamentarier*innen Sichtweisen aus dem Bundestag ein. Schahina Gambir, MdB (Bündnis 90/Die GRÜNEN) machte klar, dass es ein Anliegen der Ampelkoalition sei, die Demokratie zu stärken und die Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft im Bereich der Demokratieförderung zu verbessern. Es müsse nun überlegt werden, was bestenfalls direkt im Gesetz geregelt werden sollte und wo Förderrichtlinien konkretisieren. Entscheidend sei, dass die Zivilgesellschaft gut beteiligt und gehört werde.
Martin Gassner-Herz, MdB (FDP) betonte: „Wir machen unsere Demokratie dann stark, wenn sie als funktionierend erlebt wird.“ Bei der Mittelvergabe sei es wichtig, die Wirkung der Akteure und ihrer Arbeit zu berücksichtigen.
Danach lag das Wort bei Vertreter*innen der organisierten Zivilgesellschaft selbst. Aus ihrer Perspektive zentral sei, dass durch das Demokratiefördergesetz auch politisches Engagement und politische Anwaltschaftsarbeit gefördert werde, so Selmin Çalışkan von den Open Society Foundations. Zivilgesellschaftliche Organisationen bräuchten zudem mehr Freiräume und Anreize zur Organisationsentwicklung, Change Management und Personal im Bereich Fundraising, um professionelle Arbeit leisten zu können und Zivilgesellschaft strukturell zu stärken.
Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung ergänzte, das Thema Demokratieförderung verdiene mehr Debatte und Austausch zu den unterschiedlichen Rollen und der Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft. Er wünschte sich, dass das Gesetz nicht nur von der Exekutive, sondern auch von der Legislative getragen und gestaltet werde und forderte die anwesenden Abgeordneten auf, das Gesetz zu ihrem zu machen und die Umsetzung mitzugestalten.
In der anschließenden Diskussion nahmen diese den Ball auf. Elisabeth Kaiser, MdB (SPD), betonte: „Wir dürfen die Träger der Demokratieförderung nicht als Dienstleister betrachten, sondern sollten sie in ihrer Pluralität anerkennen und unterstützen.“
Ihr Fraktionskollege und SPD-Berichterstatter im Familienausschuss Felix Döring, MdB erklärte, dass die Diskussion noch einmal deutlich gemacht habe, dass der Name des Gesetzes große Erwartungen wecke. Aufgabe des Parlaments sei es nun, die bisherigen Planungen davon ausgehend punktuell zu ergänzen.
In der anschließenden Diskussion an den Tischen wurde klar, dass sich die Erwartungen auch je nach Handlungsfeld sehr stark unterscheiden. Einig waren sich die Teilnehmenden aber darin, dass das Demokratiefördergesetz konkret Ziele benennen müsse und die Demokratieförderung nur in enger Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft gemeinsam gestaltet werden muss.
Text: Sophie Leins
Fotos: Jörg Farys, Die Projektoren